Die Entscheidung war getroffen und somit der erste Schritt getan. Mit einem mal versank ich in Fias Augen, wurde von dem kleinen Schwarz im Mittelpunkt angezogen, glitt tiefer und tiefer sodass alles um mich herum verschwamm. Ich sah zu Beginn keine klaren Bilder, nur Gefühle. Diese Gefühle waren es, die mir den Weg binnen Millisekunden zum Kern, zu dem Zeitpunkt den ich suchte, wiesen. Die Gefühle eines Menschen waren für mich beim Einsatz meiner Gabe wie ein Zeitstrahl, der sich durch ihr Leben zog und an dem ich mich voran arbeitete, bis ich an der gewünschten Erinnerung war, die ich suchte. So intensiv und so beängstigend zugleich waren ihre Erinnerungen an Caius. All diese Bilder griff ich und riss sie mit einem Wimpernschlag aus ihr heraus. Griff jegliche kleinsten Bilder von Caius, die ich in ihrem Innersten finden konnte. Es war die einzige Möglichkeit, die ich sah. Natürlich war mir bewusst, dass ihre Erinnerung an Caius mit vielerlei anderen Erinnerungen verknüpft waren, allerdings konnte ich ja nicht alles löschen. Nicht so einfach. Denn auch meine Gabe war für mich nicht einfach zu steuern und das Löschen von allen Erinnerungen einer längeren Zeitphase überspannte einfach meine Fähigkeiten.
Also schloss ich kurz die Augen, um diese Situation die höchsten eine Sekunde menschlicher Zeit dauerte zu beenden und hoffte, dass es von Erfolg gekrönt war. Ich hasste es, meine Schwester als Versuchskaninchen zu benutzen, doch ich tat es für sie. Tat es, damit sie wieder sie selbst werden würde – so gut dies uns möglich war. Angespannt stand ich da, als ich Fias erste Worte hörte. Geschockt riss ich die Augen auf und starrte sie an. Noch nie hat jemand bemerkt was ich tat, hatte es durchschaut. Und dass Fia es gemerkt hatte und das Wort ‚versucht‘ benutzte zeugte davon, dass mein Versuch misslungen war. Doch wie war das möglich? Kein Wort kam über meine Lippen, während ich versteinert dastand und Fia anblickte. Nein, das konnte sie nicht ernst meinen.
“Fia nein! Du nicht!“ Steves Protest konnte ich zwar nachvollziehen, aber für mich bedeutete dies alles immer noch Fia noch näher zu diesem Mistkerl von Caius zu bringen. Und dies war etwas was ich um alles in der Welt verhindern wollte. Gerade wollte ich unterstreichen, dass ich sogar bereit wäre mit Steve aber ohne Fia in den Palast zu gehen, als ich ihre leisen Worte vernahm. °Sterben?° Das war ein Wort, welches mir in all den Jahren so fern geworden war, dass es nun ironisch in meinem Innersten wiederhallte. Doch mit einem mal fiel Fia um. Meine Schnelligkeit half mir nichts, denn dies war etwas, was ich noch nie erlebt hatte. Meine Schwester, völlig weggetreten am Boden liegend.
„FIAA“ schrie ich als ich blitzschnell auf sie zustürmte, doch schon lag ihr Kopf auf Steves Schoß. „Nimm deine Finger von ihr“, presste sich angestrengt aus meiner Kehle und fraß sich zu Steve. Doch er strich ihr nur sanft über den Kopf und wendete sich an mich. „Ja müssen wir. Und zwar SOFORT!“ Ich kniete neben Fia, griff ihre Hand und strich ihr sanft über die Wange. Skeptisch musterte ich Steve langsam und auch für ihn offensichtlich, doch ich nickte nur. So sorgsam wie er sich um Fia gerade kümmerte konnte er es nichts böses wollen. So hoffte ich jedenfalls.
Ich lehnte mich zu Fia und musterte sie mit angespannten Brauen. Wie konnte ich sowas nur zulassen? Zulassen, dass sie durch meine Hand Schaden nahm? Nein, so dürfte es nicht weiter gehen. „Fia. Kleine. Bitte sag doch was. … bitte… JETZT MACH DIE AUGEN AUF!“ All die Verzweiflung und Anspannung platze aus mir heraus, denn ruhig bleiben konnte ich nicht. Meine Schwester, weggetreten und in mir ungewisser Verfassung vor mir auf dem Boden und ich so hilflos wie selten zuvor. In mir begann ein Feuer zu brodeln, welches nur darauf wartete auszubrechen und Caius in Asche zu verwandeln. Für das was er mit Fia getan hatte, für das wozu er mich zwang und für das was noch auf uns zukommen würde. Er würde büßen!